Inzwischen ist ja der Ablauf ziemlich gut eingespielt an einem Flugtag. Wenn ich nicht immer meinen würde, ich hab noch stundenrund Zeit und dann etwa eine Stunde vor Abfahrt doch wieder in Panik verfalle. Wir fahren so um 15-15:30 los. Stunde Fahrt. Ab und zu mal schnüffeln, ob das Inlet einer Box noch gewechselt werden muss. Ankunft im Parkhaus. 2 Gepäckwagen schnappen, Boxen und Koffer drauf. Mit´m Fahrstuhl hoch zu Abflug. Entweder lange Schlange oder nix los. Am Schalter dann Papierkram, mit den Boxen zum Wiegen fahren, wieder zum Schalter, Aufkleber an die Boxen. Zum Durchleuchten, da müssen alle Hunde (bis auf den Handgepäckhund) raus aus der Box. Das ist immer so ein Knackpunkt, warum Mann mit muss. Denn die Hunde kriegen ja eine Pille und können oftmals nicht mehr laufen und wie soll ich 4 Hunde an der Leine, einen Handgepäckhund in einer Tasche und meinen Koffer dort hinschleifen, wo sie dann wieder in die Boxen gepackt werden müssen. Denn die Boxen werden dort durchleuchtet und sind erstmal weg. Wir müssen mit den Hunden dann um die Ecke durch 2 Stahltüren und eine lange Rampe runter und dort kommen dann die Boxen und wir packen die Hunde wieder rein. Dann geh ich mit Koffer und Hund in Tasche zum Durchleuchten. Da muss ich den Hund rausnehmen und wieder reinpacken. Ab in Richtung Gate. Immer noch eine halbe Stunde Zeit bis zum Boarding. Ich pack mein aufblasbares Nackenkissen und mein kleines Knuddelkissen (30 Jahre alt) in die linke, obere Kofferecke, damit ich beides schnell rausziehen kann, wenn ich den Koffer oben ins Gepäckfach schubse und mich ans Fenster setze.
Diese Mal hatte ich auf dem Hinflug eine 3er Reihe für mich. Gut so. Denn die unangenehme Frisur vor mir, hat direkt nach dem Abheben(!) seinen Sitz nach hinten gemacht. Für mich ein Zeichen, dass der noch nicht oft geflogen ist, obwohl der
Raus aus´m Flieger, zu den Gepäckbändern, 2 Wagen "ziehen" und ab zum Sperrgepäck. Boxen schnell da, alle Hunde leben noch (keine Ahnung, warum ich da immer Angst hab und so meganervös bin, wenn die Boxen kommen), keine Zollkontrolle. Genauso freu ich mich immer sehr, wenn Sohnia mit dabei ist. Raus, alle Leute da, alle nett. Wenn die Leute dann vom Boden wieder hochkommen, Hunde und Papiere übergeben sind, dann schnapp ich mir meinen Koffer, geh auf Klo und dann zum Bäcker, der die ganze Nacht geöffnet ist und kauf mir ´ne Laugenstange mit Ei. Dann ist es zwischen 0 und 1 Uhr. Man versucht sich das irgendwie etwas gemütlich zu machen um etwas abzuratzen. Erst wird immer noch mit Familie, Sohnia oder Adoptanten gewottsäppt. Dann Linsen raus, Kissen untern Kopp, Schuhe aus, eine Hand am Koffer, Jacke über die Augen, damit es etwas dunkler ist.
Inzwischen kenn ich einige vom Wachpersonal, der Polizei, des Putzteams und eben auch vom Bäcker. Da gibt es die ältere Italienerin, die immer gestresst aussieht, aber nett ist, den Portugiesen und es gibt den schwulen Türken. Nee, das geht ja gar nicht, sowas gibt´s ja nicht. Darum hat der auch Tattoos bis ans Kinn. Jedenfalls ist es genau dieser Mensch, bei dem man den Eindruck hat: "Gib jemandem etwas Macht und er wird zum Diktator." Hinten im Bäckerladen sind alles Glaswände und dort sind immer 2 Leute am aufbacken und frisch schmieren und belegen. Auf beiden Seiten des Bäckers gibt es Sitzmöglichkeiten. Auf der einen Seite so hohe Bistrostühle und Tische, auf der anderen Seite eine "Sitzleiste mit Steckdosen" mit Stühlen davor und 4 Leder-Sofas. Auf 2en saßen irgendwelche Skandinavier. 6 an der Zahl. Surfer, die haben fast die ganze Nacht sehr laut irgendwelche Videos auf´m Laptop geguckt. Links neben mir auf dem Sofa 2 junge Typen, deren Sprache ich auch nicht wirklich deuten konnte und auch was Nördliches vermute. Auch die haben die ganze Zeit was auf´m Laptop geguckt und einer hat sich immer schlapp gelacht. Der andere hat eher still gelacht.
Um 2:30 kommt ja immer der Wischmopmann. Auch immer mal unterschiedliche Männer, aber auch die kennt man schon. Während es dem einen Wischer egal ist, ist es dem anderen unangenehm was dann passiert. Denn ich kann inzwischen vorhersagen, dass dieser bestimmte Bäckertresenmann, nennen wir ihn BTM, sobald egal welcher Wischmopmann aufschlägt, in die Hände klatscht und ruft: "HAAAALLO, alle mal aufstehen!" Wie gesagt, dann ist es 2:30 und der ein oder andere könnte gerade mal weggenickt sein. Also stehen alle brav auf, reiben sich die Augen, strecken sich und stellen sich an den Rand. Ist der Wischmopmamn fertig fallen alle wieder auf ihr jeweiliges Sofa. Dieser Vorgang passiert nur, wenn BTM Schicht hat! Die anderen Bäckertresenpersonen interessiert es nicht und dem Wischmopmann reicht es, wenn man Koffer und Schuhe kurz anhebt.
Man liegt dann wieder eine halbe Stunde und ist wieder so gerade weggenickt. Dann kommt BTM und tickt einen an: "HAAAALLO, die Beine runter!" Er ist wohl auch des Englischen nicht mächtig und hat den 6ern das dann mehrmals um die Ohren gehauen, bis die endlich die Füsse runtergenommen haben, weil sie begriffen haben was er meint. So liege ich wieder wie sonst, gerade etwas weggenickt. Erneut eine halbe Stunde später tickt der mich wieder an: "HAAALLO, die Beine runter!" und da bin ich sauer und laut geworden: "Jetzt ist aber Schluss mit der Schikane hier! Ich kann das ja verstehen, wenn jemand die Schuhe noch an hat, aber nicht so. Ich bin 2x im Monat hier (war jetzt leicht übertrieben, war ich aber ja im Januar wirklich) und wenn einer der Kollegen oder Kolleginnen Dienst hat, dann ist denen das komischerweise völllig egal. Keiner liegt hier gerne rum." Er war sichtlich irritiert und gerade auf dem Weg nach draussen um eine zu rauchen und meinte nur: "Aber wenn meine Chefin das sieht..." Weg war er. Ich wurde auch nicht mehr angetickt. Hatte allerdings einen Puls von 400 und konnte die nächste halbe Stunde vor Blutgepocher auch nicht dösen.So um 4:30 wird es dann eh immer lauter, weil viele Leute kommen die fliegen und ich werde wach oder nenn es wacher.
Dann schlunz ich (nachdem ich jedes Mal einen Krampf im Bein hab, wenn ich meine Schuhe anziehe) ins "Badezimmer", drück mir neue Linsen rein, Deo, Zähne, Bürste und los geht´s zum anderen Bäcker. Der Nachtbäcker vom BTM hat nur belegte Sachen und so kleine Kuchen wie Muffins. Beim Edekabäcker gibt es frische, unbelegte Brötchen. Also eine große Tüte voll und ab zum Durchleuchten. Weiter zum Gate, dann ist es meistens 5 Uhr und um 5:30 geht es wieder in den Flieger, der dann um 6 Uhr abhebt. Die Kissennummer wieder und so kann ich da noch gut abschnarchen, bis mir wieder das Kinn runterklappt und ich davon aufwache oder der Kapitän losblubbert oder das Frühstücksbrötchen "serviert" wird. Neben mir ein Ehepaar das weiter nach Madeira wollten. Mitte 60, schwer verliebt und sich wie Bolle über den kleinen Brötchenklötz und den Joghurt gefreut. "Das war ja schon mal gut!" Die wollte aber nicht wirklich mit mir reden. Ich find das ja immer sehr interessant was das so für Leute sind. Aber viel mehr als dass sie aus Bremen Borgfeld kamen konnte ich nicht rauslocken. Allerdings ist es auch nicht so, dass ich mit jeder Person sprechen möchte, schlafen hat ja dann auch was Schönes, aber inzwischen waren echt interessante Leute dabei. Der Kolumbianer, die Frau aus Peru, eine die nach 27 Jahren das erste Mal wieder in Portugal war, weil eben genau vor 27 Jahren ihr damaliger Freund dort ertrunken ist und eine deren einer Sohn eine Freundin hat, die 14 Jahre älter ist, der anfangs mit ihrem alten "Gaul" von 28 Jahren nichts anfangen konnte und inzwischen besorgter ist als die Freundin selbst und der andere Sohn, der in diesen Zeiten Berufssoldat geworden ist. Das wahre Leben eben, fremde Menschen, die dir einfach so auf 3 Stunden Flug ein großes Stück Leben erzählen.